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Dämmstoff aus Seegras, Draht aus Diamant und ein Rollstuhl aus Lego

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Innovation bedeutet nicht nur, neue Dinge zu erfinden, die es vorher noch nicht gab. Innovation heißt auch, darüber nachzudenken, wie man Dinge anders machen kann als bisher. Effizienter, schneller, billiger oder mit neuen Materialien. Und was das angeht, ist der Kreativität der Forscher und Forscherinnen keine Grenze gesetzt. Immer wieder werden bekannte Materialen auf neue und originelle Art und Weise eingesetzt.

Zum Beispiel Posidonia oceanica, auch bekannt als Neptungras. Diese Wasserpflanze lebt im Mittelmeer und bildet dort große Seegraswiesen. Sie wächst in bis zu 40 Meter tiefem Wasser und spielt eine wichtige Rolle für die lokalen Ökosysteme. In den Wiesen aus Neptungras leben Fische und Schnecken. Das Gras wirkt außerdem als Filter und nimmt Nährstoffe auf, die durch die Flüsse ins Meer gelangen. Dadurch bleibt das Meerwasser sauber und wird nicht überdüngt. Auch für das Klima ist es Neptungras wichtig. Ein Hektar Seegras kann fünfmal mehr Kohlendioxid aufnehmen und in Sauerstoff umwandeln als normaler Wald an Land. Leider stirbt das Neptungras langsam aus und anstatt großer Wiesen unter Wasser treffen wir Posidonia oceanica mittlerweile hauptsächlich abgestorben an den Stränden.

Seebälle am Strand (Bild: Travus, CC-BY-SA 3.0)

Dort bildet es die bekannten Seebälle. Die ständige Wellenbewegung des Wassers verwandelt die abgestorbenen Fasern des Seegrases in filzige Kugeln, die dann an die Strände gespült werden. Dort stören sie meistens, denn wer will schon auf verfilzten Graskugeln liegen. Die Seebälle werden also regelmäßig eingesammelt und entsorgt. Man muss sie aber nicht gleich wegwerfen – man kann sie auch sinnvoll verwerten. Das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal hat gemeinsam mit Partnern aus der Industrie eine Methode entwickelt, um aus dem Seegras einen schadstofffreien Dämmstoff für den Hausbau zu entwickeln.

Dazu musste man zuerst einen effizienten Weg finden, um den Sand aus den Seebällen zu entfernen. Das funktionierte am Besten, in dem die Fasern auf eine bestimmte Art und Weise gerüttelt werden. Danach wurden die Bälle zerschnitten und die einzelnen Fasern herausgelöst. Und damit ist das Seegras eigentlich schon fertig für seinen Einsatz als Dämmstoff. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Holzkirchen hat untersucht, wie gut das ehemalige Seegras als Dämmung so funktioniert. Es hat eine viel höhere Wärmespeicherkapazität als Holz bzw. andere Materialen, die aus Holz hergestellt werden. Die Messungen zeigten, dass die Kapazität beim Seegras um 20 Prozent höher liegt. Die Dämmwolle aus dem Meer enthält auch keine Fremdstoffe und ist daher für Allergiker gut geeignet. Sollte das Haus irgendwann abgerissen werden, kann das Seegras ganz einfach entsorgt werden. Man kann es zum Beispiel im Garten unter die Erde harken und damit den Boden auflockern.

Das Seegras liegt einfach am Strand herum und kann billig eingesammelt werden. Nicht ganz so einfach und billig ist die Produktion des Diamant-Drahts, den Wissenschaftler aus Japan und den USA entwickelt haben. Dabei handelt es sich natürlich nicht um echte Diamanten, wie man sie aus dem Juweliersladen kennt. Es geht um spezielle Nanomaterialien auf Kohlenstoff-Basis. Kohlenstoff kann ja auf ganz verschiedene Arten vorkommen. Als Graphit zum Beispiel – das kennen wir aus Bleistiftminen und ist relativ unspektakulär. Oder aber als Diamant; eine Form, in der der Kohlenstoff wesentlich seltener und wertvoller ist. Der Unterschied liegt nur in der Anordnung: Graphit besteht aus zweidimensionalen Kohlenstoffschichten während Diamant aus einem dreidimensionalen Gerüst von Kohlenstoffatomen besteht. Und natürlich kann man Kohlenstoffatome noch auf viele andere Arten anordnen. Sie lassen sich auch mit anderen Atomen kombinieren, zum Beispiel mit Wasserstoff. Dann können sogenannte Diamantoide entstehen. Der Aufbau entspricht dem eines Diamanten, nur ist in diesem Fall zusätzlich Wasserstoff gebunden an den Außenflächen der dreidimensionalen Gerüstflächen.

Kohlenstoffnanoröhre (Bild: APPER, CC-BY-SA 3.0)

Aus Diadamantan, einer speziellen Form der Diamantoiden, konnten die Forscher nun einen extrem dünnen Draht herstellen. Dazu verwendete man Kohlenstoffnanoröhrchen. Sie dienen als eine Art Form: Kapillarkräfte saugen die Moleküle, aus denen der spätere Draht besteht, in die Röhrchen hinein. Dann werden sie erhitzt und die einzelnen Diamantoid-Moleküle bilden einen dünnen Draht. Er ist nur 0,78 Nanometer dünn und kann in Zukunft vielleicht als Spitze für Rastersondenmikroskope eingesetzt werden, um Objekte in extrem hoher Auflösung abtasten zu können.

Mit Diamantoiden und Kohlenstoffnanoröhren kann man nur in gut ausgestatteten Labors basteln. Im Kinderzimmer geht das nicht, allerdings lassen sich Lego-Steine nutzen, um Dinge zu bauen, die man bei diesem Material nicht erwarten würde. Zum Beispiel einen Rollstuhl, der nicht nur komplett aus Lego-Steinen besteht, sondern auch mit ganz normaler Lego-Technik gesteuert werden kann. Und welches Kind würde sich nicht gerne selbst ein komplettes Go-Kart aus Lego basteln:

Egal welches Material man nimmt, am Ende muss man nur kreativ genug sein, um etwas Neues zu entwickeln.


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